Bereits seit 1999 soll das "European Credit Transfer and Accumulation System", kurz ECTS genannt, die Leistungen von Studierenden international besser vergleichbar und transferierbar machen und die Mobilität von Studierenden erleichtern. Wie gut das nun in über zwei Jahrzehnten gelungen ist, darüber diskutierten renommierte ExpertInnen auf Einladung von Klaus Poier, Leiter des Zentrums für Hochschulrecht und Hochschulgovernance an der Uni Graz.
Herbert Wulz, Stellvertretender Leiter der Hochschulsektion im Bundesministerium, räumte ein, dass das Gefühl zur Effizienz des Universitätssystems in Österreich noch immer negativ sei und man nach wie vor zu lange Studiendauern und zu hohe Drop-out-Quoten habe. Man solle auch generell besser die Rahmenbedingungen der Studien, die viel zitierte Studierbarkeit, betrachten. Der internationale Transfer von Studienleistungen sei noch immer sehr problematisch. "Dennoch sind die ECTS ein tolles Instrument zur Reform der Curricula", betonte der Ministeriumsexperte. Digitale Tools böten mittlerweile viele Möglichkeiten zur Analyse, wie beispielsweise das "Quinn"-System der TU Wien oder der VetMed.
Die Stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft, Naima Gobara, konstatierte, dass man weit entfernt sei von echter ECTS-Gerechtigkeit. Die Frage sei, ob es diese überhaupt brauche, ob der gleiche Aufwand für jedes Studium überhaupt notwendig sei. Entscheidend sei nämlich die Employability nach dem Studium, dass alle AbsolventInnen entsprechende Jobs finden. "Das Wichtigste für die Studierenden ist eine entsprechende Planbarkeit des Studiums, egal ob sie nebenbei arbeiten oder Vollzeit studieren", forderte die ÖH-Vertreterin. Mittlerweile sei das Thema eher zum Machtinstrument der Lehrenden in Curricular-Kommissionen verkommen. Wichtig ist ihr die Evaluierung des Ist-Zustandes, auf deren Basis die Curricula überarbeitet werden müssten. Jedenfalls sei eine stärkere Einbindung der Studierenden wünschenswert, das Thema dürfe nicht in den Hochschulgremien ´hängenbleiben´.
Die ehemalige Vizerektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien (VetMed), Sibylle Kneissl, forderte, dass man jedenfalls Zeit- und Workloadüberschreitungen identifizieren und erfassen müsse. An der VetMed habe man diesen individuellen Workload anhand von vier Studien erhoben und Curricula dann nachjustiert. Jedenfalls sei die subjektive Wahrnehmung der Arbeitslast sehr unterschiedlich. Besonders wichtig sei es, dass die Arbeitsumfänge als gerecht empfunden werden. "Nur dann stimmt die Zufriedenheit und das Engagement der Studierenden", stellte Kneissl fest. Auf eine Reise umgelegt bezeichnete sie das Curriculum als ´Routenplaner´, die Anzahl der ECTS pro Studienjahr als ´Tachometer´ und die Zeit, die pro Lehrveranstaltung investiert wird, als ´Gaspedal´.
Werner Fritz, ehemaliger Vizerektor der FH Joanneum, stellte fest, dass ungleiche Belastungen während des Semesters einen wesentlichen Einfluss auf das subjektive Empfinden der Workload hätten. "Bei der Bewertung verzerren diese Spitzenbelastungen natürlich", meinte er. Die ECTS seien früher eher lehrenden-zentriert und stark output-orientiert gewesen. Mittlerweile stünden immer mehr die Studierenden mit ihren Interessen im Mittelpunkt. Jedenfalls müsste bei der Entwicklung der Curricula die Studierbarkeit im Mittelpunkt stehen und gewünschte Leistungen bereits vorher klar festgelegt werden.
Wo sich alle ExpertInnen einig waren? Der Evaluierung der Lehrveranstaltungen müsse jedenfalls mehr Bedeutung beigemessen werden und die Analysen tatsächlich zu wesentlichen Verbesserungen und einer Reform der betroffenen Curricula führen.
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