Moussa erleidet auf seinem Weg von Somalia nach Europa Schiffbruch. Hannes und Gerlinde, die mit ihrem luxuriösen Katamaran auf Kreuzfahrt durch das Mittelmeer sind, retten den jungen Mann, der sie bittet, ihn illegal an Land zu bringen. Soll das Ehepaar Moussa helfen und die Konsequenzen eines Menschenschmuggels auf sich nehmen?
Mit dieser Frage beschäftigt sich der Kurzfilm „BOATPEOPLE“ des jungen österreichischen Regisseurs Paul Meschuh. Analysiert haben diesen Film und 18 weitere Werke Silvia Schultermandl und David Hucek, KulturwissenschafterInnen am Institut für Amerikanistik der Universität Graz, im Rahmen des Erasmus+ Projekts „Hospitality in Film“. Dabei geht es unter anderem darum, mittels eines online Filmverzeichnisses „in Zeiten von zunehmendem Populismus eine sensiblere, reflektierte Debatte über die so genannte Flüchtlingskrise zu ermöglichen und gleichzeitig die Rolle der EuropäerInnen im globalen Kontext von Migration, Flucht und Asyl zu thematisieren“, erklären Schultermandl und Hucek.
Für ihre Analyse wählten die ForscherInnen 19 Filme aus neun Ländern Europas aus. Von besonderem Interesse war für Schultermandl und Hucek, dass alle Werke die Perspektive der so genannten „Empfängerländer“ einnahmen und deren Arten der Gastfreundschaft beleuchteten. Das Fazit der WissenschafterInnen: „Wir haben gesehen, dass die europäischen FilmemacherInnen bewusst verschiedene, sozusagen ‚interne‘ Themen ansprechen, die in der öffentlichen Diskussion rund um Flüchtlinge oft unter den Tisch fallen“, unterstreicht David Hucek. Zum Beispiel wäre da die Frage der Gleichbehandlung. Werden in Europa jene Werte, die seit der Aufklärung als grundlegend europäisch gelten – Liberalität, Weltoffenheit, Toleranz gegenüber Diversität – wirklich immer als Maßstab für alle genommen? Keineswegs, betonen die ForscherInnen. „Die Botschaft an Geflüchtete ist vielmehr: Wir öffnen unsere Grenzen – und hier sind die Spielregeln“, erklärt Silvia Schultermandl. Machtverhältnisse werden gegenüber Flüchtlingen schnell und deutlich etabliert, um nicht Gefangener im eigenen Haus zu werden; bei anderen EuropäerInnen wird dieses Regelwerk aber oft nicht so streng durchgezogen – zumindest nicht auf der zwischenmenschlichen Ebene. Die „neue Form der Fremdenfeindlichkeit“, wie die ForscherInnen dieses Ungleichgewicht bezeichnen, thematisiert der europäische Film ebenso deutlich wie die globale Verantwortung Europas an der Flüchtlingskrise vom Jahr 2015.
Doch das Konzept der Gastfreundschaft geht über den Themenkomplex von Migration, Flucht und Asyl hinaus. Im Kurzfilm „Hatch“ von Christoph Kuschnig geht es beispielsweise um ein gleichgeschlechtliches Paar, das ein Neugeborenes aus der Babyklappe mitnimmt, jedoch in der Elternrolle an gesellschaftlichen Grenzen scheitert und das Kind schließlich zurücklegt. „Wir sehen hier, dass man auch im eigenen Land ungastlich behandelt werden kann, wenn man einem bestimmten Muster nicht entspricht“, resümieren Schultermandl und Hucek.
Die beiden österreichischen ForscherInnen sind Teil eines Projekt-Konsortiums, das aus sieben Partner-Universitäten in Spanien, Großbritannien, Irland und Schweden besteht. Neben der online Filmdatenbank ist auch ein Mooc (Massive Open Online Course) für Studierende zum Thema „Hospitality in Film“ in Planung, der im Lauf dieses Jahres fertiggestellt wird. Ein Dokumentationsfilm über Musiker mit Migrationshintergrund in London und Amsterdam soll bis Ende des kommenden Jahres realisiert werden.
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