Sie ist in vieler Munde. In der EU zählt sie zu den Top-Zielen: Circular Economy. Will heißen: Produkte möglichst lange im Wirtschaftskreislauf halten. Dadurch weniger Abfall und Emissionen produzieren. Und so letztendlich den Klimawandel bremsen. In der Wissenschaft handelt es sich um eine vergleichsweise junge Disziplin. Mit blinden Flecken in der Fachliteratur: Sie ist stark technisch zentriert, hält Nachhaltigkeitsforscher Rupert Baumgartner fest. Wichtige Punkte wie soziale Aspekte oder Produktdesign sind in der Forschung noch unterbelichtet. Baumgartner hat gemeinsam mit Josef-Peter Schöggl und Lukas Stumpf vom Christian Doppler-Labor für Nachhaltiges Produktmanagement in einer Kreislaufwirtschaft wichtige Fachjournals der vergangenen 20 Jahre durchforstet.
Abfall ist mehr als nur Müll. Er ist wertvoller Rohstoff, nützt anderen als Ressource. Und: Es bleibt so gut wie nichts übrig. Was in der Natur gut funktioniert, könnte doch auch in der Wirtschaft klappen. Rupert Baumgartner – er leitet das Christian Doppler-Labor – erinnert an diese Analogie, als in den späten 1980er-Jahren die beiden US-amerikanischen Forscher Robert Frosch and Nicholas Gallopoulos erstmals von einer „Industrial Ecology“ sprachen. Heute firmiert die Idee unter dem Begriff „Circular Economy“. Auch die Europäische Kommission hat dazu 2015 einen Aktionsplan beschlossen, um mit Hilfe einer kreislauforientierten Wirtschaft Umwelt und Klima zu schützen. „Es macht außerdem geopolitisch Sinn, da Europa von Ressourcen unabhängiger wird“, verweist Baumgartner auf die durch die Pandemie verursachten Transport-Probleme.
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ist die Vielschichtigkeit des Themas nur bedingt angekommen, wie Rupert Baumgartner, Josef-Peter Schöggl und Lukas Stumpf in ihrer aktuellen Bestandsaufnahme der Fachliteratur darlegen.
Strategische Faktoren der Kreislaufwirtschaft, zum Beispiel die Analyse von Anreizmodellen, stehen erst jüngst im Fokus der Publikationen. Nach wie vor unterrepräsentiert sind hingegen soziale Aspekte der Nachhaltigkeit wie Arbeitsbedingungen. Eine ebenso kleine Rolle spielen die Bedürfnisse der KonsumentInnen. Ein Defizit, so Rupert Baumgartner: „Ihre Anliegen müssten künftig stärker berücksichtigt werden.“
„Der Begriff ist seit Anbeginn sehr technikorientiert, wird vor allem von Recycling dominiert“, fassen die Forscher zusammen. „Allmählich sind Fragen des Produktdesigns hinzugekommen, die Materialien, Potenziale der Zerlegung und Reparatur behandeln“, beschreibt Baumgartner.
Insgesamt haben die drei Forscher mehr als 3800 Artikel, die in 30 einflussreichen Journalen zur Circular Economy zwischen 2000 und 2019 erschienen sind, thematisch unter die Lupe genommen. Und daraus selbst eine Publikation gemacht, die kürzlich im renommierten Journal „Resources, Conservation and Recycling“ veröffentlicht wurde.
The narrative of sustainability and circular economy - A longitudinal review of two decades of research. In: Resources, Conservation and Recycling, No. 163, Josef-PeterSchöggl, Lukas Stumpf, Rupert J. Baumgartner >> zur Publikation