Österreich durchlebt zur Zeit einen spannenden Politkrimi. Seit 17. Mai 2019 bleibt innenpolitisch kein Stein auf dem anderen. Entlassungen, Rücktritte und Ernennungen von Regierungsmitglieder prägen den Alltag. Dazu kommt aus dem Parlament noch ein Wind in Form eines Misstrauensantrags gegen den Bundeskanzler, der die Regierung endgültigs ins Wanken bringen könnte. Was passiert, wenn der Antrag durchgeht? Verfassungsexperte Karl Stöger im Kurzinterview.
Professor Stöger, was passiert, wenn dem Misstrauensantrag im Parlament zugestimmt wird?
Karl Stöger: "Dann ist der Bundespräsident verpflichtet, unverzüglich die Personen, denen das Mißtrauen ausgesprochen wurde – also entweder die gesamte Bundesregierung oder nur den Bundeskanzler – ihres Amtes zu entheben, also zu entlassen. Er hat hier keinen Spielraum, da er an den Parlamentsbeschluss gebunden ist. Unverzüglich heißt, dass dieses heute Abend oder morgen erfolgen sollte."
Würde Österreich dann nicht regierbar sein?
Stöger: "Würde nur der Bundeskanzler des Amtes enthoben, würde er so lange vom Vizekanzler vertreten, bis eine neuer Bundeskanzler bestellt ist. Wird die ganze Bundesregierung enthoben, hat der Bundespräsident die Möglichkeit, eine einstweilige Bundesregierung zu bestellen. Diese könnte aus leitenden Beamten, zum Beispiel Sektionschefs, der jeweiligen Ministerien bestehen. Damit würde eine grundsätzliche Handlungsfähigkeit weiterhin gegeben sein. Es ist also durch kluge Entscheidung des Bundespräsidenten jedenfalls möglich, eine „Mindestregierbarkeit“ Österreichs sicherzustellen."
Was sagt die österreichische Verfassung zu diesem Szenario?
Stöger: "Unsere Verfassung hat diesen Fall mitbedacht und gibt dem Bundespräsidenten hier eine sehr starke Stellung, die dieser freilich mit Augenmaß nutzen sollte. Zugleich zeigt sich hier ganz deutlich, dass das Parlament als Vertreter des Volkes durchaus „Zähne“ hat. Allerdings handeln die Abgeordneten mit einem sogenannten „freien Mandat“ und daher nach ihrem eigenen besten Gewissen. Das Parlament kann somit auch eine Entscheidung treffen, die laut Meinungsumfragen nicht von einer Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher unterstützt wird."
Würde nur der Bundeskanzler des Amtes enthoben, würde er so lange vom Vizekanzler vertreten, bis eine neuer Bundeskanzler bestellt ist