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Erstes Grazer Medizinstudium

Monday, 16 February 2015, uni.on > Universität, Universität, uni.on > Top News

Publikation gibt Auskunft über Entwicklung, Bedeutung, Inhalte und Absolventen

2014 feierte die Medizinische Universität Graz ihr zehnjähriges Bestehen. 2004 war sie aus der 1863 gegründeten Medizinischen Fakultät der Uni Graz hervorgegangen. Die Anfänge des Medizinstudiums in Graz liegen aber noch weiter zurück. 1782 wurde unter Joseph II. an den Universitäten und darüber hinaus in jeder Provinzhauptstadt der Habsburger Monarchie das „Medizinisch-chirurgische Studium“ eingeführt, um die Ausbildung von Ärzten im gesamten Reich zu standardisieren.

In Graz geschah dies gleichzeitig mit der Umwandlung der Universität in ein Lyzeum. Bis zur Gründung der medizinischen Fakultät an der Universität Graz im Jahr 1863 bildete die medizinisch-chirurgische Lehranstalt am Lyzeum über 2000 „Wundärzte“ und „Chirurgen“ aus. Diese übernahmen fast die gesamte medizinische Versorgung, vor allem auf dem Land. Mag. Petra Scheiblechner, Mitarbeiterin im Universitätsarchiv der Uni Graz, hat erstmals systematisch alle Absolventen des medizinisch-chirurgischen Studiums von 1782 bis 1863 in Graz mit Name, Herkunft, Alter und ab 1850 auch mit Religionszugehörigkeit in einem Gesamtverzeichnis erfasst. Darüber hinaus werden in der Publikation mit dem Titel „Die neuen Wundärzte“ Entwicklung und Bedeutung sowie Inhalte und Besonderheiten dieses ersten Grazer Medizinstudiums beschrieben.

 

„Seit dem Mittelalter gab es in Europa zwei Ausbildungsformen in der Medizin: zum einen das Studium der Medizin an den Universitäten, zum anderen eine Lehre nach dem Muster der mittelalterlichen Zünfte“, erklärt Ao.Univ.-Prof. Dr. Alois Kernbauer, Leiter des Grazer Universitätsarchivs. Die niederärztlich Ausgebildeten bewährten sich in der Praxis sehr, während die an den Universitäten ausgebildeten „Buchärzte“ in verhältnismäßig geringem Ausmaß praktizierten. In jedem Fall mussten sie nach dem wissenschaftlich orientierten Studium erst die Praxis nachholen.

Das 1782 eingeführte medizinisch-chirurgische Studium sollte die niederärztliche Ausbildung vereinheitlichen. Der Studienplan vom 28. Juni 1786 brachte die reichsweite Standardisierung des zweijährigen Curriculums. Das Studium umfasste theoretischen Unterricht in Anatomie, Wundarzneikunst, Chirurgie und Geburtshilfe sowie chirurgischen und medizinischen Unterricht „am Krankenbette“. Nach zwei Jahren sollten die Schüler dann im Gebärhaus und im allgemeinen Spital noch einige Zeit praktizieren.

Um dem Lehrplan gerecht werden zu können, wurden 1786 in der Paulustorgasse in Graz „ein „Spital-, ein Findel- und Gebärhaus“ sowie ein „Tollhaus“ eingerichtet. Ein „Allgemeines Krankenhaus“ folgte 1789. Ab diesem Jahr bezeichnete man die Absolventen der medizinisch-chirurgischen Lehranstalt offiziell als „Patrone der Chirurgie“.

 

Obwohl die Studienpläne in der gesamten Monarchie die gleichen waren, bildeten sich an jedem Standort Besonderheiten heraus, wie etwa das zusätzliche Fach der Vieharzneikunde in Graz. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Lehrangebot kontinuierlich erweitert. Der Ausbildungsplan, der am 31. März 1833 in Kraft trat und das gesamte Ausbildungswesen der Mediziner, Wundärzte und Pharmazeuten neu regelte, brachte unter anderem die Verlängerung des medizinisch-chirurgischen Studiums auf drei Jahre, gefolgt von zwei Jahren Praxis. Von nun an waren auch Augenheilkunde und die „Vorbereitungswissenschaften“ Physik, Chemie und Botanik Teil des Curriculums.

1827 kam es zur Wiedererhebung der Universität Graz – nach den Jahren als Lyzeum – als „Karl-Franzens-Universität Graz“ durch Kaiser Franz I. Das hatte auch positive Auswirkungen auf die Ausbildung an der medizinisch-chirurgischen Lehranstalt, wenngleich der Antrag der Grazer Professoren auf Umwandlung in eine medizinische Fakultät von der Regierung abgelehnt wurde. Ihr Ansehen stieg – in der Bevölkerung wie auch in Fachkreisen. „Das medizinisch-chirurgische Studium in Graz war durchaus innovativ und fortschrittlich“, berichtet Alois Kernbauer. „Neben der regulären Ausbildung gab es freiwillige, kostenlose Zusatzangebote für die Schüler. Und man scheute sich auch nicht, aktuelle ,heiße Eisen‘ zu diskutieren, wie etwa die Homöopathie.“

Am 13. August des Revolutionsjahres 1848 gab das Ministerium per Erlass die prinzipielle Aufhebung des „unzeitgemäßen“ medizinisch-chirurgischen Studiums bekannt und bat um Anträge für eine möglichst rasche Errichtung einer medizinischen Fakultät – ein Wunsch, der bereits mehrfach geäußert worden war. Doch es fehlte sowohl an Personal als auch an den nötigen Einrichtungen, wie Laboratorien und Seziersälen. So blieb die Ausbildung an der medizinisch-chirurgischen Lehranstalt innerhalb der Hochschule bis zur Gründung der medizinischen Fakultät im Jahr 1863 weiter bestehen.

 

Publikation:

Die neuen Wundärzte. Die Absolventen des Grazer medizinisch-chirurgischen Studiums 1782–1863, bearbeitet von Petra Scheiblechner. Mit einer Skizze der
Leitlinien und der Besonderheiten der medizinisch-chirurgischen Ausbildung in Graz von Alois Kernbauer, Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz, Band 6/6, Hrsg. Alois Kernbauer
ISBN 978-3-201-01978-1

Das Buch ist bei der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt (ADEVA) Graz erschienen und dort sowie im Buchhandel erhältlich.

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