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Politkarrieren

Tuesday, 12 July 2022, Forschen, Sozial & Wirtschaftswissenschaften, Universität

SoziologInnen zeigen: Wer früh einsteigt, hat die größten Chancen

Wer wird in Österreich SpitzenpolitikerIn? Und welche Gemeinsamkeiten haben diese Personen in ihren Biografien? Der Soziologe Philipp Korom von der Universität Graz analysiert mit Studierenden die Lebensläufe von allen Mitgliedern des Nationalrats der letzten 70 Jahre, um darauf Antworten zu finden. Dabei untersuchen die ForscherInnen nicht nur, ob PolitikerInnen idente Karrierestationen aufweisen, sondern auch, ob sie diese zum selben Zeitpunkt in ihrem Leben hatten. Ein Ergebnis der bisherigen Analysen: Die Rekrutierungssysteme haben sich bis heute kaum verändert. Nach wie vor gilt: Die größten Chancen auf eine erfolgreiche Politkarriere hat, wer die sogenannte „Ochsentour“ macht: vom Eintritt in die Partei als JugendlicheR über den Nationalrat die Leiter weiter nach oben.

Ziel des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts „Nationale und lokale politische Eliten in Österreich“ ist eine umfassende Erhebung der Lebensläufe von SpitzenpolitikerInnen im Zeitverlauf, um Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Veränderungen zu erfassen. Das Herzstück des Vorhabens ist der Datensatz, für den Korom und sein Team die Karrieren von über 1500 Personen, darunter alle Mitglieder des Nationalrats von 1950 bis 2019, codiert haben. Der Datensatz soll in Zukunft über AUSSDA, das österreichische Archiv der Sozialwissenschaften, auch anderen ForscherInnen zur Verfügung stehen.

Mit der Sequenzanalyse, einem Verfahren, das ursprünglich aus der Molekularbiologie kommt und dort zur Entschlüsselung von genetischen Mustern dient, wird der berufliche Lebenslauf eines/einer PolitikerIn als Folge verschiedener Berufsstadien abgebildet, die jeweils über eine bestimmte Zeit andauern. Daraus ließe sich zum Beispiel erkennen, dass Sebastian Kurz und Gernot Blümel bereits im Teenager-Alter in die Junge ÖVP eintraten, während Pamela Rendi-Wagner erst mit Mitte 40 SPÖ-Mitglied wurde.

Wenig Veränderung
Auf Basis der erhobenen Daten wollen die SoziologInnen vor allem folgende Fragen beantworten: „Die erste: Hat sich an den Rekrutierungssystemen der Parteien für den Nationalrat etwas verändert? Die zweite: Warum waren Frauen im Nationalrat so deutlich unterrepräsentiert, zumindest bis vor wenigen Jahren? Und die dritte: Wer kommt in die verschiedenen Ausschüsse?“, erläutert Philipp Korom.

Die Erkenntnisse mögen überraschen: „Das Interessante ist, dass sich die Rekrutierungssysteme im Verlauf der Zweiten Republik kaum verändert haben, obwohl sich das Parteiensystem gewandelt hat“, sagt der Soziologe. Zwar sei in der SPÖ die Gewerkschaft als Rekrutierungspool ab den 1970er-Jahren weniger relevant geworden, und in der ÖVP kämen heute weniger PolitikerInnen im Nationalrat aus dem Bauernbund. „Aber im Wesentlichen haben die Abgeordneten über den gesamten Zeitverlauf sehr ähnliche Biografien“, so Korom. In der ÖVP zeige sich beispielsweise die bündische Struktur, egal welchen Zeitverlauf man sich anschaue. Und auch für die langjährige und weiter bestehende Unterrepräsentation von Frauen im Nationalrat lassen sich in den Daten Erklärungsansätze finden. „Es zeigt sich, dass der Sprung aus der Kommunalpolitik, zum Beispiel vom Bürgermeisteramt, in den Nationalrat eher Männern offensteht.“

Auf die Frage, was nun junge Menschen, die in die Politik gehen möchten, am besten tun sollen, sagt Korom: „Die Antwort ist 2022 dieselbe wie 1970: Man sollte die Ochsentour machen. Das erhöht die Chance auf eine Politkarriere am meisten.“

Quelle: FWF – Scilog – Projekt der Woche

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