Österreich nimmt mit seinem derzeit geltenden Islamgesetz ein Sonderstellung in Europa ein: In keinem anderen westlichen Land gibt es vergleichbare Anstrengungen, eine gleichberechtigte Ko-Existenz von MuslimInnen und ChristInnen rechtlich zu sichern.
Die Bemühungen gehen bis ins Jahr 1912 zurück: Vor genau hundert Jahren trat das Islamgesetz wegen der Annexion Bosnien-Herzegowinas an Österreich-Ungarn in Kraft. Dadurch wurden zahlreiche MuslimInnen zu BürgerInnen der k.u.k. Monarchie und ihre Religionsgemeinschaft anerkannt. Aufgrund des Ersten Weltkriegs kam das Gesetz aber für fast 50 Jahre nicht zum Tragen – erst 1979 wurde in Wien die erste islamische Glaubensgemeinde in Österreich eingerichtet.
Seitdem hat sich der Islam mit aktuell rund 519.000 AnhängerInnen zur zweitgrößten Glaubensgemeinschaft Österreichs entwickelt. MuslimInnen sind eine wichtige politische, wirtschaftliche und kulturelle Kraft geworden. Doch wie sind die teils streng ausgelegten Vorgaben der islamischen Scharia mit dem österreichischen Rechtstaat zu vereinen?
Darüber diskutiert eine ExpertInnen-Runde am 6. Dezember 2012 an der Uni Graz. „In manchen Bereichen kann das österreichische Recht Rücksicht auf islamische Verbote, wie etwa das Zinsverbot oder das Spekulations- und Glücksspielverbot, nehmen“, erklärt O.Univ.-Prof. Dr. Willibald Posch vom Institut für Zivilrecht, Ausländisches und internationales Privatrecht der Uni Graz. „Allerdings ist da, wo grundlegende inländische Wertvorstellungen verletzt werden, eine strikte Grenze zu ziehen. Zum Beispiel wird die im Islam anerkannte Verstoßung, die auch in Abwesenheit der Frau erfolgen kann, in Österreich nicht als rechtskräftige Scheidung anerkannt.“
Diese Beispiele der Bemühungen um einen Konsens oder die Kompatibilität islamischer Rituale und Gebräuche, wie zum Beispiel das Schächten, mit der österreichischen Rechtsordnung werden neben einigen weitere Themen in der Podiumsdiskussion aufgegriffen.
Podiumsdiskussion: 100 Jahre Islamgesetz in Österreich. Scharia und säkularer Rechtsstaat – ein unlösbarer Widerspruch?
Zeit: Donnerstag, 6. Dezember 2012, 18:30 Uhr
Ort: RESOWI-Zentrum, Bauteil A, 2. Stock (Raum: SZ 15.21)
mit Dr. Barbara Gartner, Amt der Kärntner Landesregierung
O.Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c. Willibald Posch, Institut für Zivilrecht der Uni Graz
Ao.Univ.-Prof. Dr. Karl Prenner, Institut für Religionswissenschaft der Uni Graz
Anmeldung erforderlich bis 5.12.2012 an alumni(at)uni-graz.at oder 0316/380-1820.