„Stay hungry. Stay foolish.“ Das Credo von Apple-Gründer Steve Jobs liest sich wie eine Gebrauchsanweisung für den Einstieg in die Welt der Wissenschaft. Wer mit Leidenschaft, Hartnäckigkeit und einem Funken Verrücktheit an den Start geht, hat zwar gute Chancen, aber noch lange keine Erfolgsgarantie in der Tasche.
Das erlebt auch Stephanie Kolleritsch so. Keine Woche im Arbeitsalltag der Biochemikerin gleicht der anderen. Vorbereiten auf das, was kommt, ist nahezu unmöglich. Die Ergebnisse der Laborversuche sind manchmal erfreulich, manchmal weniger. Auf Überraschungen wird reagiert: „Man hat eine Hypothese, die man natürlich verfolgt. Aber es gibt keinen strikten Fahrplan, keinen geraden Weg. Man muss immer nach links und nach rechts schauen.“ Dadurch bleibt es für die junge Grazerin spannend und herausfordernd. „In der Forschung ist es ja nicht so, dass man nach einem Experiment gleich das Endergebnis bekommt. Viele Bausteine müssen zusammengesetzt und Ergebnisse reproduziert werden.“ Etwaige Fehlversuche erfordern Flexibilität und Durchhaltevermögen. Abwechslung ist garantiert, Rückschläge ebenso: „Man lernt bereits in der Doktorarbeit damit umzugehen, nicht den Mut zu verlieren.“ Die Zeit drängt.
Denk an übermorgen
„Man muss immer zwei Schritte weiterdenken und sich überlegen: Wohin kann ich jetzt schon meine Fühler ausstrecken? Wo kann ich publizieren, wie hilfreiche Kontakte knüpfen?“, beschreibt der Doktorand Maximilian Wagner seine aktuelle Situation. Der Meeresbiologe hat durch sein Elternhaus sowie durch einen Mentor aus dem Wissenschaftsbetrieb schon früh ein realistisches Bild vom Beruf der Forschenden mitbekommen. Doch seine Neugier war größer: „Antworten auf spannende Fragen zu bekommen, gibt mir viel Energie. Vielleicht wird dadurch hauptsächlich die eigene Neugier befriedigt, aber aus dem Wissensdurst Einzelner entstehen oft Erkenntnisse, die später vielen nützen können.“
Steh zu deinen Interessen!
Wissenslücken schließen will auch die Literaturwissenschafterin Dijana Simić mit ihrer Dissertation. „Meine Forschung soll anhand literarischer Beispiele deutlich machen, wie sehr Politik in den Beziehungsalltag von Menschen eingreift“, schildert sie. Die vielen Möglichkeiten der Finanzierung beurteilt sie positiv. Andererseits sind Verträge oft befristet, was auch emotionale Unsicherheit mit sich bringt. „Es ist wichtig, ein Netzwerk und Unterstützung zu haben – am Institut, an der Fakultät, aber auch international. Dafür sollte man keine zu große Ehrfurcht vor Hierarchien haben. Aus dem Austausch ergeben sich oft Chancen für die weitere wissenschaftliche Laufbahn“, unterstreicht Simić. Zur leichteren Integration internationaler KollegInnen an der Universität Graz wünscht sie sich vereinfachte Anrechnungs- und Bewerbungsprozesse sowie mehrsprachige Kolloquien, die das Profil der Hochschule schärfen würden.
Umfassende Erfahrung sieht Humayain Kabir als sein großes Plus. Der Bangladescher hat das Wegener Center für Klima und Globalen Wandel als Ort gewählt, an dem er sein Doktorat abschließen will. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Österreich betrachtet er – wie Dijana Simić – im Vergleich zu anderen Ländern als stabil. Dennoch empfindet auch er Stress: „Forschung ist kein Nine-to-five-Job. Gerade wenn man auf Daten und deren Auswertung baut, sind zeitliche Faktoren oft schwer einzuschätzen.“
Rushhour? Rush Years!
Zeit für Gesundheit, Familie, Freunde und Hobbys, daneben eine wissenschaftliche Karriere vorantreiben – und das alles in der „Rushhour des Lebens“, also der Phase von Mitte 20 bis Ende 30. Geht das? Es geht – aber nur schwer, meint Christof Gattringer, Vizerektor für Forschung und Nachwuchsförderung. Er hat selbst im Zuge seiner Karriere als theoretischer Physiker mehrere Jahre im Ausland verbracht. Wissenschaft ist kein Wunschkonzert, betont er: „Wer hier erfolgreich sein will, muss sich auf einen bereichernden, aber langen, knochenharten Prozess einstellen.“
Dabei will die Universität Graz bestmöglich unterstützen und hat vor allem für DoktorandInnen einige gut genützte Angebote auf die Beine gestellt. Seit knapp fünf Jahren führt die Doctoral Academy hervorragende Forschungskonsortien aus verschiedenen Fakultäten unter einem Dach zusammen. DissertantInnen können sich in diesem Rahmen austauschen und Weiterbildungen besuchen.
Wer hier erfolgreich sein will, muss sich auf einen bereichernden, aber langen, knochenharten Prozess einstellen.
Christof Gatttringer, Vizerektor für Forschung und Nachwuchsförderung.
Besonderes Augenmerk legt das Rektorat jetzt auf die Zielgruppe der PostDocs, also jene rund 350 Personen, die sich mit dem Doktorat in der Tasche auf ihre weitere akademische Karriere vorbereiten. Sie sind oft weder in Lehre noch in administrative Tätigkeiten eingebunden und können sich daher mehr auf die Forschung konzentrieren. Gleichzeitig stehen sie unter enormem Publikationsdruck, weil sie keinen dauerhaften Arbeitsvertrag haben. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: „PostDocs stellen rund zwölf Prozent des wissenschaftlichen Personals, sind aber für geschätzte 20 Prozent des Forschungsoutputs unseres Hauses verantwortlich“, erklärt Gattringer. Ihm ist es daher umso wichtiger, in Zukunft mehr Services und Angebote für diese Zielgruppe zu schaffen, wie Mentorings, Trainings und Beratungen.
Und nicht zuletzt will Gattringer Freiräume öffnen, damit diese jungen Menschen ihre eigenen Ideen verfolgen können. „Das, was sie antreibt, wofür sie brennen und worin sie gerne ihre Energie investieren – damit sollen sie in der Forschung sichtbar sein dürfen. Es ist an der Zeit, dass wir dieses Engagement honorieren.“ Der Weg in die Wissenschaft ist weit, der Sprung auf eine Professur immer schwieriger geworden, gibt Gattringer offen zu. Dennoch: „Die Reise lohnt sich auf jeden Fall – auch wenn nicht immer klar ist, wohin sie letztlich führt.“
Back to Reality
Wohin die Reise der jungen Biochemikerin Stephanie Kolleritsch führt? Vermutlich in die Privatwirtschaft. Zu wenig Auslandserfahrung im Lebenslauf, zu wenige Publikationen im Regal, die Konkurrenz zu groß. „Eine Zukunft im akademischen Bereich ist für mich daher eher unrealistisch, obwohl ich gerne an der Universität weiterforschen würde.“ Dennoch ist die Wissenschafterin zuversichtlich, dass ihr hart erarbeitetes Spezialwissen auch außerhalb der Universitätsmauern Bedarf und Anwendung finden wird.
Was Junge wachsen lässt?
Mehr zum Thema, wie sich die junge Generation mit aktuellen Themen auseinandersetzt, ist in der UNIZEIT nachzulesen.