Karin Landerl, wissenschaftliche Leiterin des Universitätslehrgangs Therapie für Lernschwächen/-störungen, forscht bereits seit fast dreißig Jahren rund um das Thema Lese- und Schreibstörungen, das nicht nur jetzt zu Schulbeginn den Alltag für betroffene Eltern und Kinder erschwert. Gemeinsam mit KollegInnen der Universitäten Graz und München hat die Entwicklungspsychologin unlängst Gehirnverarbeitung und Verhalten bei rund 200 Volksschulkindern mit und ohne Lese- und Rechtschreibschwäche analysiert. „Wir fanden es spannend, dass es Kinder gibt, die wissen wie man Wörter schreibt, sich aber dennoch mit dem Lesen abmühen“, erklärt Landerl. Intuitiv würde man glauben, dass Lesen einfacher sei.
Brandneue Forschungsergebnisse
„Bisher hat man angenommen, dass Kinder mit Legasthenie deswegen so langsam lesen, weil sie in der Anfangslesestrategie bleiben. Dabei werden die einzelnen Buchstaben nacheinander lautiert und langsam zusammengefügt. Dies scheint aber nicht der Fall zu sein“, gibt Landerl erste Studienergebnisse preis. Mittels Eyetracking, eine Erhebung der Augenbewegungen, und Elektroenzephalografie, kurz EEG, hat man festgestellt, dass auch LegasthenikerInnen sich Wörter und Wortteile merken können und diese im Gehirn abspeichern. „Einzig der Zugriff darauf erfolgt bei ihnen langsamer“, so Landerl, die sich schon seit ihrer Diplomarbeit mit Lernstörungen befasst. Die aktuelle Studie zeigt: Im Gehirn der betroffenen Kinder zeigen sich klare Auffälligkeiten in Struktur und Funktion, die schon vor der Geburt angelegt wurden.
Förderpraxis neu denken
Die Erkenntnisse haben große Auswirkungen auf die Förderpraxis. Bislang konzentrierte man sich dabei vor allem auf das lautierte Lesen. „Effizienter ist das Training mit Wortbausteinen, bei dem dann wichtige Wortstämme gleich zur Gänze eingeprägt und geübt werden“, weiß Landerl. Außerdem: „Wenn man die schriftsprachlichen Leistungen eines Kindes feststellen will, muss man immer beides anschauen. Wenn nur ein Rechtschreibtest durchgeführt wird, könnte eine isolierte Leseschwäche übersehen werden.“ Die Bedeutung für Forschung und Lehre auf diesem Gebiet ist übrigens in einer Welt voller Symbole äußert wesentlich. Landerl bestätigt: „Schlechte Rechtschreibung ist kein Weltuntergang, denn dafür gibt es heutzutage Korrekturprogramme. Wenn man aber nicht lesen kann, beeinträchtigt das die individuellen Lebens- und Berufschancen massiv.“
Universitätslehrgang Therapie für Lernschwächen und Lernstörungen
Am 5. Oktober 2018 beginnt wieder der berufsbegleitende Universitätslehrgang Therapie für Lernschwächen und Lernstörungen, der das Thema ganzheitlich betrachtet und nachhaltige Brücken zwischen Forschung und Praxis baut. Gemeinsam mit nationalen und internationalen ExpertInnen auf diesem Gebiet gibt Landerl ihr Wissen im Lehrgang weiter.
Die Anmeldefrist für das dreisemestrige Weiterbildungsprogramm endet am 14. September 2018.
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