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50. Band

Thursday, 14 January 2021, Universität, Forschen

Schrödingers Schüler: Neues Buch zeichnet den Weg vom talentierten Studenten zum NS-Physiker nach

Es war jene ruhmreiche Ära, als Nobelpreisträger an der Universität Graz forschten und lehrten. Und eine weniger glanzvolle, als das NS-Regime bald WissenschafterInnen und Studierende vom Campus jagte. Dieser Zeit widmet sich ein neues Buch über einen hochtalentierten Studenten und überzeugten Nationalsozialisten. Mit dem Physiker Paul Otto Müller (1915–1942) beschäftigt sich der mittlerweile 50. Band der Reihe „Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz“ – herausgegeben von Alois Kernbauer und Manfred Popp, unter Mitarbeit von Frank Ulrich Müller und Hermann Nicolai.

Paul Otto Müller schrieb ab 1938 seine Dissertation an der Universität Graz bei Erwin Schrödinger, dem überaus angesehenen Nobelpreisträger von 1933. „Müller setzte sich mit einer Frage der Allgemeinen Relativitätstheorie auseinander, was zu dieser Zeit ungewöhnlich war“, schildert Alois Kernbauer, Leiter des Universitätsarchivs der Universität Graz. Zugleich förderte Paul Otto Müller die nationalsozialistische SS. „Doch für Schrödinger spielte die Weltanschauung keine Rolle“, betont der Historiker. „Schrödinger sah in Müller vor allem das gewaltige wissenschaftliche Talent. Er war sicher sein begabtester Schüler.“ Dass die Arbeit nach wie vor von hoher Aktualität ist, bestätigt Hermann Nicolai, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam. Die Autoren haben sich daher auch entschlossen, die handschriftlich verfasste Dissertation in der Publikation abzudrucken.

Nach Schrödingers Entlassung 1939 stand Müller, so Kernbauer, auf verlorenem Posten, die theoretische Physik verlor in Graz massiv an Bedeutung. Der frischgebackene Doktor wechselte ans Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin, wo er am Uranprojekt mitarbeitete. Eine Gruppe von etwa 100 WissenschafterInnen sollte im Auftrag der Nationalsozialisten eine Atombombe herstellen. Auch Paul Otto Müller leistete Beiträge. „Müllers Ergebnis bedeutete“, schreibt Kernbauer, „dass die Voraussetzungen für eine Uran-Bombe die wirtschaftlich-technischen Möglichkeiten in Deutschland bei weitem übersteigen würden. Müller trug damit dazu bei, eine deutsche Atombombenentwicklung während des 2. Weltkrieges zu vermeiden.“ Die wissenschaftliche Debatte über die Rolle des Physikers, die rege international geführt wird, erhält damit wohl weiteren Input.

>> Über die Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz mehr erfahren

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